Es kostet nicht die Welt

 

Spring' über Deinen Schatten - egal ob bei Hitze oder Glatteis!

 

Ich bin ja froh, dass wir (seit "C" in unser aller Leben trat) langsam wieder in die Krankenhäuser gehen dürfen.

Leider noch nicht in alle und auf alle Stationen. Die Pflegeheime sind weiterhin tabu - und gerade dort wäre es so bitter nötig.

 

Wie kam es eigentlich, dass ich, die sich als Kind zu Fasching allerhöchstens als Zorro, Cowboy oder Ronja Räubertochter verkleidet hat, seit über 15 Jahren in ein selbst zusammengestelltes Clowns-Outfit wirft?

 

Ohne Witz: nie in meinem ganzen Leben (zumindest bis 24) hätte ich gedacht, dass ich mir jemals freiwillig eine Clownsnase anziehen würde - NIE!

Clowns fand ich nie lustig - NIE!!!

Die Menschen, die unter dem meist furchteinflößenden, grellen Kostüm stecken, fand ich, Gerlinde oder gelinde gesagt, seltsam.

 

Ich sah in meinem Abijahr 1998 den Film "Patch Adams" mit Robin Williams und war sofort gefesselt von der Idee, Kinder und Erwachsene in Krankenhäusern zum Lachen zu bringen. Jedoch dachte ich weniger an eine dafür nötige Schauspiel- oder Clownsausbildung, sondern vielmehr an das Medizinstudium, welches ich mir nicht wirklich vorstellen konnte.

 

Um es kurz zu machen: während einer Theaterproduktion, in der ich eine hochagressive Person spielen musste, sagte ein Schauspielkollege zu mir in der Pause, dass ich ein cooler Clown in Krankenhäuser wäre. Ich schwör', bis dato hat mich noch nie - NIEMALS - jemand als "Clown" tituliert. Ich war nie die Klassenclownin, nie ganz vorn mitdabei, sondern eher im Hintergrund, hinter meinen Instrumenten versteckt, oder mit der Bildung meiner Zornesfalten beschäftigt.

 

Als Christian damals seine "Vision" von mir und meinem zukünftigen Beruf verkündete, merkte ich, wie mein Herz plötzlich schneller schlug und ich mir dachte: Ach, sowas. Da schau an. Hatte ich doch eh mal angedacht."

 

Obacht: damals war das Internet noch nicht ganz so weit wie heute, mein eigener Laptop noch in weiter Ferne und die KlinikClowns in Bayern hatten eine kryptische Homepage.

Ich nahm Kontakt zum Verein auf - telefonisch (ich war sehr aufgeregt, bis ich mich dazu überwinden konnte, die Nummer zu wählen) und (um es nochmal kurz zu machen) schwupps, bin ich nun seit 2005 als Fräulein Dr. Lilo Musi im Einsatz.

 

Mein allererster KlinikClown-Einsatz war ein PR in einem Kaufhaus. Und schon wieder war ich total aufgeregt, für diesen Verein endlich tätig werden und Werbung dafür machen zu dürfen.

Doch irgendwie hab ich mich komisch gefühlt. Ich fühlte mich nicht richtig am Platz... es war schließ eben einfach kein Krankenhaus, doch das sollte kurze Zeit später kommen.

 

Am 19. April 2005 hatte ich gemeinsam mit "Schlaubi" (Markus) meinen allerersten Klinikeinsatz auf der Kinderonkologie in Augsburg. Bis heute sind wir dort unterwegs. 15 1/2 Jahre. In Worten: Fümpfffzehneinhalb!

 

Ich weiss noch, dass ich vor dem 19. April wahnsinnig aufgeregt war. Meinem Magen ging es 2 Tage zuvor nicht gut, da ich mir immer wieder Sorgen darüber machte, was ich dort wohl sehen, wie ich damit umgehen und wer mich in den jeweiligen Zimmern erwarten würde.

Als sei es gestern gewesen... ich erinnere mich genau, wie die Tür zur Station aufging, wir unseren Fuß darauf setzten und mich das Gefühl umfloss, dass ich hier genau richtig bin!

Genau hier wollte ich sein.

 

Mein Vater hat früher immer wieder Krankenhausbesuche unternommen, mitsamt seiner Gitarre und mir als 3-Jährige im Gepäck. Schon damals wusste ich, dass ich irgendwann auch mal im Krankenhaus arbeiten werde. Nur wie und was war mir nicht klar. Und nun war es endlich soweit.

 

Die ersten Kinder mit Glatze und Infusionsständer waren für mich nur kurz irritierend. Schnell war klar, dass wir hier wegen der Kinder und nicht derer Krankheiten da sind.

Was für eine Freude und wie viel Lachen uns auf dieser Station in den letzten Jahren geschenkt wurde - das ist nicht zu fassen!

Egal ob von den Kindern, deren Eltern und Großeltern, Geschwister, dem kompletten Personal,...

 

Das erste halbe Jahr als KlinikClown war wunderbar.

Ich begann schnell auch in Alten- und Pflegeheime zu arbeiten.

Ich fühlte mich sehr wohl und dachte, warum machen das nicht alle Menschen?

Dir wird so viel Herzlichkeit, Dankbarkeit, Liebe und Wohlwollen entgegengebracht - das tut doch allen Menschen gut und ich kann damit sogar Geld verdienen (Viele Menschen glauben immernoch, dass KlinikClowns ehrenamtlich arbeiten... - zumindest nicht in unserem Verein - es gibt eine sogenannte Aufwandsentschädigung. Zusätzlich gibt es Treffen und Fortbildungen, die Zeit kosten und dann ehrenamtlich sind).

 

Wie gesagt: es lief wie am Schnürchen und es fiel mir immer leichter auf Menschen zuzugehen, bei denen ich mich das in zivil nie - NIEMALS - im Leben getraut hätte, aus Angst, abgewiesen, angepampt oder sonstwas zu werden.

 

Mein Eindruck, den ich sehr schnell bei der Arbeit als KlinikClown gewonnen habe, war, dass sich Menschen in Krisenzeiten (egal ob jung oder alt) auch einfach nur über ein ehrlich gemeintes "Guten Morgen" freuen können. Wichtig dabei ist, dass ich es wirklich so meine, dass ich dem Menschen dabei herzlich und empathisch in die Augen sehe und mein freundlichstes Sein nach außen lasse.

Diese Arbeit kann man nur dann gut und somit authentisch machen, wenn man mit sich selbst so gut es geht im Reinen ist. Es bringt nichts, die Nase aufzusetzen und so zu tun, als sei ich gut drauf... das spüren die Menschen, v.a. die, denen es selbst gerade nicht gut geht... dazu später mehr.

 

Aaaaalso, was ich jetzt schon zweimal angefangen habe:

es lief alles super und schön bis eines Tages mich die Nachricht ereilte, dass die kleine (nennen wir sie mal) Helena, mit 4 Jahren gestorben ist...

...und die Frau Ratzinger aus Zimmer 124 im Altenheim...

...und Herr Jakob aus dem 3. Stock im anderen Heim...

...und dann auch noch Sascha mit 14, den ich kurz zuvor als Clown doch noch geheiratet hatte...

...und... und...

und...

...

 

Es begann erst mit zwei verstorbenen Kindern und dann wurden es irgendwie immer mehr und ich hatte das ehrlich gesagt nicht sehr präsent, dass es passieren könnte, dass Kinder leider doch an Krebs sterben. Wie auch - es wird kaum darüber berichtet. Zumindest zu der damaligen Zeit nicht.

Mittlerweile hat sich das durch Facebook und Instagram geändert. Dort werden teilweise Geschichte regelrecht "vermarktet". Auch irgendwie schwierig - schafft jedoch mehr Aufmerksamkeit für dieses schwere Thema.

 

Es gab viele sehr traurige und schwere Momente in meiner KlinikClowns-Laufbahn.

Doch wenn ich aus den ganzen Jahren etwas mitgenommen habe, dann ist es Folgendes:

Es lohnt sich IMMER einen Schritt auf jemanden zuzugehen. IMMER. Egal, ob ich diese Person kenne oder nicht. IMMER.

 

Einzige Voraussetzung:

Ich weiss uuungefähr, was mich gerade beschäftigt und ob ich überhaupt die Ressourcen und Kräfte dafür habe, unvoreingenommen, wertschätzend und liebevoll auf ein anderes Individuum einzugehen.

Sobald ich nämlich selbst angespannt, unleidig und unruhig bin, spürt das mein Gegenüber und es entstehen unbequeme Zwischenschwingungen, die manchmal eine unglückliche Dynamik erhalten. Am Ende weiss keine*r genau was da jetzt gerade los war, doch am Ende liegt etwas Ungutes und Schepses in der Luft.

 

Damit meine ich nicht, dass man komplett erleuchtet sein muss.

Es geht darum, den 1. Schritt auf sich selbst zuzugehen UND DANN auf den anderen.

Den Satz: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" endlich mal richtig zu verstehen. Nur, weil der Nächste an 1. Position steht, heisst das nicht, dass ich mich konsequenterweise an die 2. Position setzen muss.

Mondjiö, habe ich dafür lange gebraucht, um das zu verstehen... ts...

 

Es geht darum, eine Ahnung davon zu haben, was es bedeutet, im selben Boot zu sitzen. Wir sind nun mal alle Menschen mit den selben Grundbedürfnissen. Psychische Erkrankung hin physische Erkrankung her.

 

Es geht darum, sich selbst hin und wieder einen Ruck zu geben, um auf die Umwelt zuzugehen.

Am Ende merkt man nämlich, wie sich jede*r einfach nur freut und froh ist, gesehen, angenommen und nicht verurteilt zu werden.

Einfach endlich, wirklich miteinander SEIN!

Das funktioniert in Krisenzeiten am Besten, denn da sind die meisten Menschen verletzlich, deswegen offen und schließlich bereit.

Das ist keine Hoffnung.

Das ist fümpffzehneinhalbjahre Erfahrung.

Das ist Fakt.

 

Übrigens: in Zeiten, wo "C" zu Besuch ist, mehr denn je, Mensch!

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Petra (Samstag, 16 Januar 2021 18:50)

    Das hast du Super geschrieben. Es geht unter die Haut und ist so wahr!!! Danke dafür